Die türkische Lira – eine tickende Zeitbombe? I Türkei-Kolumne (Teil 1)

Die türkische Lira und Ihr Verfall ist seit Tagen das Hauptthema in den Schlagzeilen – die Börsen haben aufgrund des Währungsverfalls stark gezittert.

Werfen wir einen detaillierten Blick auf die wirtschaftliche Entwicklung des Landes: Auf den ersten Blick sehen wir eine robuste Entwicklung in der Türkei. Das Bruttoinlandsprodukt ist in 2016 um 3,18 Prozent und in 2017 sogar um 7,05 Prozent angestiegen. Für das Jahr 2018 wird ein Anstieg von 849,5 Milliarden US-Dollar auf 909,9 Milliarden US-Dollar prognostiziert (GTAI). Das Wirtschaftswachstum gemessen an der realen, prozentualen Veränderung des Bruttoinlandsproduktes befand sich in 2017 auf einem Höchststand, allerdings wird in den nächsten zwei Jahren ein geringeres Wirtschaftswachstum erwartet.

Von 2008 bis 2017 ist die Inflationsrate auf- und abgestiegen, wobei sie in 2017 von 7,78 Prozent einen Anstieg um ganze 3,36 Prozent auf 11,14 Prozent erlebt hat.

Ein großes Problem stellt die Verschuldung der türkischen Unternehmen in Euro und Dollar dar, denn mit der abgewerteten Lira stellt sich die Rückzahlung als ein kaum überwindbares Problem dar. Mit der fortschreitenden Währungsentwertung steigt die Schuldenlast der Unternehmen und bedroht somit das Überleben einer ganzen Wirtschaft.

Die Brutto-Außenverschuldung stieg in den letzten drei Jahren kontinuierlich an: von 408,2 Milliarden US-Dollar in 2016 auf 453,2 Milliarden US-Dollar in 2017. Die Devisenschulden betragen momentan ca. 250 Milliarden US-Dollar, von denen 180 Milliarden in den nächsten zwölf Monaten fällig sind. Dementsprechend stellt die hohe Verschuldung in ausländische Währungen ein Problem für das gesamte Finanz- und Wirtschaftssystem dar – insbesondere aber für engagierte europäische Banken.

Besonders die spanischen Banken sind im Falle einer Zahlungsunfähigkeit der Türkei aufgrund eines Kreditengagements in Höhe von 80,9 Milliarden Euro betroffen. Deutschland ist im Vergleich „lediglich“ mit 12,7 Milliarden Euro in der Türkei investiert.

Die Entwicklung der Lira wird nun seit mehreren Wochen nicht nur von den Finanzakteuren, sondern auch von dem türkischen Volk verfolgt.

Versuchen die 80 Millionen (Stand 2017) in der Türkei lebenden Menschen, die türkische Lira gegen die harten Währungen Euro und Dollar umzutauschen? Erdogan verlangt von seinem Volk, dass diese ihre harten Währungen gegen die türkische Lira umtauschen, damit eine weitere Abwertung der Lira verhindert wird. Der Wertverlust der Lira betrug innerhalb von sechs Monaten (Stand 17. August 2018) ca. 45,91 Prozent (USDTRY).

Bei der jüngsten Kabinettsumbildung im Juni hat Erdogan den Finanzminister Mehmet Simsek entlassen und seinen Schwiegersohn Berat Albayrak für diese Position platziert. Albayrak verkündete mitten in der Krise ein neues, nachhaltigeres Wirtschaftsmodell. Er konnte die Märkte allerdings aufgrund fehlender Konkretisierung nicht überzeugen. Das neue Modell beinhaltet die Unabhängigkeit der türkischen Zentralbank vom Staat und soll die Staatsausgaben reduzieren, sowie die Inflation bekämpfen. Albayrak wirft dem Westen vor, die Türkei bewusst zu schwächen: „Der Westen setzt Euro und Dollar als Waffen gegen die Türkei ein.“
Der Kurs der türkischen Lira erholte sich, nachdem die türkische Zentralbank den Kreditinstituten eine ausreichende Liquiditätsversorgung in Lira zugesagt hat. Dafür würden beispielsweise an Tagen mit hohem Finanzierungsbedarf mehrere Rückkaufaktionen von Seiten der Zentralbank durchgeführt. Zudem wies die Zentralbank darauf hin, dass zusätzlich zum US-Dollar auch Euro zur Lira-Absicherung genutzt werden könnte.

Was hat dazu geführt, dass sich die Türkei in Richtung einer Schulden- und Wirtschaftskrise bewegt? Sind die milliardenschweren Investition in die Infrastruktur in der Türkei, das niedrige Zinsumfeld und die starke Kreditvergabe Gründe für die Überhitzung der türkischen Wirtschaft?

Als Auslöser der Krise könnte der Streit zwischen den USA und der Türkei aufgrund der Festnahme des amerikanischen Pastors Andrew Brunson angenommen werden. Brunson sitzt seit Oktober 2016 wegen Spionage- und Terrorvorwürfen im türkischen Hausarrest und Trump dringt seither auf seine Freilassung. „Wir werden nichts für die Freilassung eines unschuldigen Mannes zahlen. Aber wir setzen bei der Türkei nach.“ so Trump auf Twitter. Aufgrund dieser Entwicklung entschied sich Trump Anfang August, Sanktionen gegen den türkischen Justiz- und den Innenminister zu verhängen. Zudem verdoppelte er die Höhe der Zölle auf türkische Stahl- und Aluminiumimporte, weshalb die Lira-Krise sich verschärfte. Erdogan rief daraufhin das türkische Volk auf, die harten Währungen in türkische Lira umzutauschen, amerikanische Elektrogeräte wie beispielsweise Apple zu boykottieren und er ließ zudem ebenfalls Zölle auf amerikanische Produkte erheben. Betroffen sind amerikanische Autos (120 Prozent), Alkoholika (140 Prozent), sowie Tabak (60 Prozent) und Kosmetika.

Die Entwicklung der „Türkei-Krise“ ist von weltweiter Relevanz und es bleibt abzuwarten, ob die Staatsherren Trump und Erdogan das Risiko friedlich beenden werden oder ob uns eine weitere Staatspleite wie in Griechenland bevorsteht.

 

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