Freundliche Börsen trotz reichlich Zündstoff | Die Kapitalmärkte im Fokus – Wochenüberblick (35/2019)

Trotz reichlich Zündstoff an den Märkten haben sich die Börsen gut gelaunt in das Wochenende verabschiedet. Doch die Unsicherheiten bezüglich des Brexit, dem Handelskonflikt und der abschwächenden Wirtschaft konnten die Marktteilnehmer nicht loslassen.

„Take back control from Boris. Bring down Boris. Defend Democracy. Resist the parliament shutdown.” – diese und viele weitere schlagkräftige Slogans prägten die Proteste im Vereinigten Königreich am Samstag. Nach wochenlanger Stille ist es wieder da: das Schlagwort Brexit und die Unsicherheit um die Zukunft der Briten in der Europäischen Union. Der neue britische Regierungschef Boris Johnson wird den Brexit zum 31. Oktober 2019 durchführen und betont dabei ausdrücklich, dass ein Austrittsabkommen mit der EU nicht relevant dafür sei. Der zuvor von Theresa May und der EU ausgehandelte Backstop wird von Johnson abgelehnt und somit werden an der Grenze zwischen dem zur EU gehörenden Irland und zur UK gehörenden Nordirland wieder Grenzkontrollen eingeführt. Zudem ist die Integrität des EU-Marktes mit dem Vereinigten Königreich ohne Backstop und der Frieden zwischen Katholiken und Protestanten auf der Insel dann nicht mehr gewährleistet. Zu allem Ärger hat Johnson daraufhin auch noch die zweiwöchige Sitzungspause des britischen Parlamentes auf vier Wochen verlängert – laut der Protestanten sei diese Verlängerung eine Zwangspause Johnsons. Die Verlängerung der Sitzungspause bis zum 14. Oktober würde im Endeffekt dafür sorgen, dass die Verhinderung eines harten Brexit nicht mehr möglich sei. Den Kurs der britischen Pfund hat Johnson durch diese Aktion in neue Tiefen gezwängt.

Für weitere Unsicherheit sorgt zudem die neue Eskalationsstufe im Handelskonflikt zwischen den USA und China. Die angekündigten Strafzölle auf beiden Seiten sind in Kraft getreten, genauer die Sonderabgaben der USA auf weitere chinesische Importe in Höhe von 100 Milliarden Dollar und Gegenzölle aus China. Diese werden insbesondere amerikanische Bauern in Leidenschaft ziehen, da zehn Prozent auf Importe wie Fleisch, Mais, Kartoffel oder Obst verhängt wurden und fünf Prozent auf Sojabohnen, Milchprodukte und Chemikalien. Die USA verhängt das erste Mal auch Zölle auf Konsumgüter wie Fernseher, Instrumente, Bücher, Smartphones oder Kleidung, wodurch langfristig die Preise für amerikanische Verbraucher steigen könnten. Insgesamt belaufen sich die Zölle auf Waren im Wert von ca. 360 Milliarden Dollar. Trotz versöhnlicher Worte seitens Trump wird eine Lösung des Handelskonfliktes derzeit nicht erwartet. Mit Blick auf die nahenden Wahlen in den USA bildet sich im rund um den Handelskonflikt aber auch ein anderes Bild ab: Eine Lösung des Konflikts ist für die USA, den Dollar und die Popularität Trumps relevant. Die Wahlen finden zwar erst in fünfzehn Monaten statt, jedoch ist die erneute Wahl Trumps als Präsidenten der USA von der wirtschaftlichen Entwicklung des Landes abhängig. Der wirtschaftliche Aufschwung schwächt in den USA ab und durch den Handelskonflikt ist das Wirtschaftswachstum ebenfalls gefährdet.

Zu allem Übel können wir seit Wochen auch eine inverse Zinsstruktur in den USA beobachten. Das bedeutet, dass die Rendite festverzinslicher Wertpapiere für lange Laufzeiten niedriger ist als die für kurze Laufzeiten. So notierte die Rendite für 10-year U.S. Treasuries zeitweise geringer als die Rendite für die 2-year U.S. Treasuries. Das Risiko kann bei 10-jährigen Anleihen jedoch weniger gut eingeschätzt und eingepreist werden, als bei 2-jährigen Anleihen. In der Vergangenheit wurde die Inversion der Zinsstrukturkurve als Vorbote einer drohenden Rezession angesehen. Anleger achten inzwischen genauer auf den Spread zwischen Anleihen, da dieser ein verlässlicher Konjunkturindikator sei. Die Aktienmärkte reagierten bspw. am Mittwoch auf die Inversion der Zinsstrukturkurve in den USA mit Börsenverlusten. Ob die wiederholte Inversion nun tatsächlich auf eine nahende Rezession hindeutet wird sich zukünftig zeigen.

Wie haben sich die Börsen in der vergangenen Woche entwickelt?

Welche wichtigen Konjunkturdaten und Termine erwarten die Anleger in der kommenden Börsenwoche?


Quellen: Bloomberg, Reuters, Guidants, finanzen.net, OnVista, aktuelle Tageszeitungen/ Onlinezeitungen